METALLICA
Revisited

Über kaum eine andere Band ist in der Vergangenheit so viel kontrovers diskutiert worden wie über Metallica – wir haben in einer älteren Ausgabe auch unseren Senf abgegeben, mit dem Schwerpunkt unserer Kritik auf den Mechanismen, die die Band in frühen Tagen stets vehement abgelehnt hatte und von denen sie seit längerem mit Haut und Haaren gefressen wurde.

Um es kurz zu machen: „Kill ´em all“, „Ride the lightning“ und „Master of puppets“ zählen meiner Meinung nach zum Besten, was das Speed-/Thrash-Genre je hervorgebracht hat und man konnte damals schon erkennen, was für ein gewaltiges Potential in der Band steckt; dieses kam auf der grausigen „...And justice for all“ kaum zur Geltung, schlecht produziert und mit schwachen, langweiligen Songs versehen, hatte ich das Teil genauso schnell wieder verkauft wie ich es gekauft hatte. Das schwarze Album war ein Schritt in die richtige Richtung, mit Bombensound und guten Metal-Songs, wobei mich die beiden Balladen „The Unforgiven“ und „Nothing else matters“ nicht die Bohne gestört haben, weil sie schlicht sehr gut gemacht sind, Basta! Völlig überraschend fand ich dann den Kurswechsel hin zu „Load“ und „Reload“, zwei Platten, die ich absolut daneben finde. Warum? Nun, ganz einfach: Hier fand eine totale Abkehr von allem statt, was die Band berühmt gemacht hatte (will ich einen Akustik-Gitarre spielenden Hetfield mit Cowboy-Hut in einem Auto sitzen und einen auf Bon Jovi für Arme machen sehen???) und dazu gab es dann Aussagen á la „Metal ist tot“, die so absurd waren/sind, wie das auf diesen beiden Platten verewigte Material. Hetfield und Co. wurden ganz klar rockiger/bluesiger und meiner Meinung nach auch konfuser, was eigentlich ihr gutes Recht ist, dann aber hätten sie, wenn sie schon nichts mehr mit HM zu tun haben wollen, aber so fair sein sollen und diese Songs unter einem anderen als dem eindeutig Metal versprechenden Banner „Metallica“ veröffentlichen sollen (wenn ich mir mal was anderes anhören möchte (was sehr oft vorkommt), dann kaufe ich ganz bestimmt keine Metallica-CD, sondern Tull, Yes, ELP, Neil Young, Kansas, Lizzy, Page/Plant, Genesis, Allman Brothers, Charlie Daniels Band, Crosby, Stills, Nash, diese Liste läßt sich beliebig fortsetzen...). Sie haben es nicht getan, die alten Fans fast vollständig verloren und dafür (wesentlich mehr) neue hinzugewonnen, so daß man von einem gelungenen Experiment sprechen kann, was die kaufmännische Seite anbelangt. Darüber hinaus haben sie sich von der Industrie vollkommen vereinnahmen lassen, plötzlich erscheinen Maxi-Singles in allen möglichen Versionen von einem einzigen Song, Videos werden en masse gedreht und bei MTV hineingepusht und alles, was gestern war, was man gesagt,  gedacht und geglaubt hat, gilt im Angesicht der Kohle nicht mehr – ein Typ wie Kirk Hammet hat stets seine eigene Visagistin dabei und kauft nur noch Designer-Klamotten, muß ich wirklich noch anfügen, wie mich solche neureichen Bonzen ankotzen, die ihren Erfolg auf Typen wie uns und der Szene der 80er aufgebaut und diese dann vergessen haben und heute darüber lachen?

Sei es nun schlechtes Gewissen, reine Lust an der Vergangenheit oder nur der Luxus des Auslebens der geldgegebenen Freiheiten, so hat man nun eine DoCD voller Coverversionen veröffentlicht, alt und neu. Und da stand ich nun, hin- und hergerissen zwischen meinem Abscheu auf diese gesteuerte Geldmaschine mit all ihren Begleiterscheinungen und der Neugierde bzw. dem Drang, die alten Gassenhauer vom Schlage „Am I evil“ endlich alle auf einen Schlag auf CD zu haben. Als das Teil dann im Karlsruher Pro Markt kurz vor Weihnachten von 44,99 DM auf 29,99 DM reduziert wurde, dachte ich „Scheiß drauf“ und nahm das Ding mit zur Kasse, wo mich beim Piepsen des Kreditkarten-Automats Kirk Hammet anzugrinsen und mir mitzuteilen schien: „Cool, mecker‘ ruhig über uns, solange wir nur Deine Kohle bekommen“ und ich bekam ein schlechtes Gewissen. Dieses wurde dann aber beim Abspielen der Songs wieder beruhigt, denn, das muß die Abneigung ihnen lassen, diese DoCD ist verdammt gut geworden. Klar, die alten Dinger aus den 80ern kannte ich schon, bei „Breadfan“ oder „Am I evil“ (immer noch ein absoluter Killer!!!) bzw. den „Garage“-Songs kann man beim Kauf gar nichts falsch machen, die neuen Songs auf CD 1 sind´s, die mich freudig in die Runde blicken lassen, denn teilweise wurden Songs von Bands gecovert, die zu meinen absoluten Faves gehören und die viel besser rüberkommen, als ich dies erwartet hätte: „Tuesday´s gone“ von den ewig genialen Lynyrd Skynyrd hat ein nicht zu überhörendes Flair (auch wenn dieser ganz spezielle sentimentale Touch eines Ronnie van Zant (RIP) nicht erreicht wird) und das Mercyful Fate-Medley ist spitzenmäßig (die fehlende Sirene des Kings stört plötzlich gar nicht mehr) und unterhält 11 Minuten lang aufs Angenehmste. „Astronomy“ von BÖC ist ebenfalls klasse, genauso wie der brachiale Opener „Free speech for the dumb“, fett produziert und voll auf Zwölf. Einzig das Lizzy-Cover von „Whisky in the jar“ läßt Kritik zu, denn die Lead-Gitarre, die die ganze Melodie trägt, wurde viel zu weit in den Hintergrund gemischt. Ansonsten aber eine runde Sache, die immer wieder aufs Neue Spaß macht und den Preis auf jeden Fall wert gewesen ist, insbesondere, wenn man noch das dicke, ausführliche Booklet dazunimmt.

Und dennoch: Ich weiß nicht, ob ich über „Garage Inc.“ nun froh sein soll, weil Bands wie Mercyful Fate nun auch der breiten Masse zugänglich gemacht werden, die die meisten der gecoverten Bands noch nie gehört haben („Garage Inc.“ steht überall in den Top 10), oder ob ich das ganze Werk nur als berechnete Spielerei von 4 Millionarios ansehen soll, die versuchen, Kredit bei alten Fans zurückzubekommen oder die Platte nur als Überbrückung und zusätzliche Einnahmequelle nutzen, weil gerade keine neuen eigenen Songs vorhanden sind.

Die nächste reguläre Metallica-CD wird diese Frage sicher beantworten...

Frank